Der Heilige Geist und die Kirche im Neuen Testament
Christen verehren den einen Gott als Vater, Sohn und Heiligen Geist. Speziell der Heilige Geist ist der Lebendigmacher, der lebenspendende Atem Gottes. So gesehen ist Gott in allem, was atmet gegenwärtig. Nicht ohne Grund heißt es deshalb in Psalm 150: „Alles, was atmet, lobt den Herrn“. Was lehrt das Wort Gottes über Gabe und Aufgabe des Heiligen Geistes?
Mitschnitt des Vortrags, den Dr. Werner Kleine am 20. Mai 2020 im Rahmen der Reihe „Glaubensinformation“ als Webinar gehalten hat. Die Form des „Webinars“ hat zu leichten Beeinträchtigungen der Audioqualität beigetragen, für die wir um Verständnis bitten.
Sind Embryos,die bevor sie beginnen zu atmen, im Mutterleib versterben Tempel Gottes?
Wir reden von Gott als Person.Mit Person verbinde ich Körper.Muß Gott auch aus Materie bestehen?Oder was ist mit Person gemeint?
Lieber Herr Peters, Sie sprechen in Ihrem kurzen Kommentar eine Reihe wichtiger Fragen an. Ich versuche, Sie zu beantworten:
1. Aus meiner Sicht ist jedes Leben Tempel Gottes. Der Embryo, der durch die Verschmelzung von Samen- und Eizelle entsteht, ist zum Leben bestimmt – und wird ja durch die Nabelschnur durch die Mutter mit Sauerstoff versorgt. So gesehen atmet er, ist also Tempel Gottes. Allerdings gibt es hier – auch aus Sicht anderer Religionen – andere Konzepte. In manchen Religionen zählt die Fähigkeit zum eigenständigen Atmen als Ausweis des Beseeltseins. So oder so bleiben diese Zuweisungen allerdings menschlich willkürlich. Genau deshalb nimmt die römisch-katholische Kirche den frühestmöglichen Zeitpunkt – eben den der Zeugung an. Das ist auch für mich einsichtig. Im Falle eines Embryos entsteht damit natürlich eine spezielle Situation, insofern er Tempel Gottes ist (und deshalb Würde hat, auch wenn er im Mutterleib verstirbt) und gleichzeitig natürlich die Mutter selbst ebenfalls eine eigenständige Persönlichkeit ist. Vllt. ist das sogar ein Symbol für das gegenseitige Verwiesensein der Menschen an sich. Wenn es hier zu Konflikten kommt, gibt es keine eindeutigen Lösungen. Im Gegenteil: Eigentlich steht die Mutter (und natürlich auch der Vater) als mündiges Wesen in der Verantwortung für die schutzbedürftigen Embryonen, die ihr Leben durch das Leben einer anderen haben und erhalten bekommen. Hier entscheidet eben niemand mehr nur für sich selbst. Das ist eine Folge der Ansicht, dass man keinen willkürlichen Beginn des Lebens irgendwo festlegen kann. Wenn man dieser Willkür entgehen will, muss man den frühestmöglichen Zeitpunkt annehmen – und das ist der der Zeugung. Ja: Auch ich glaube, dass das Wesen dann ein Tempel Gottes ist.
2. Der Personbegriff ist heute höchst missverständlich, weil wir im heutigen Sprachgebrauch „Person“ mit „Indiviudalität“ verbinden. Das steckt sicher auch hinter Ihrer Assoziation des Körpers. Hier muss ich allerdings zuerst eine wichtige Klärung vornehmen:
a) Nämlich die, was ein Körpfer ist. Das Altgriechische kennt hier eine wichtige Unterscheidung, die wir auch im Deutschen nachbilden können. Es unterscheidet zwischen σῶμα (soma) und σάρξ (sarx). Sarx meint Fleisch. Hier auf Erden haben wir einen fleischlichen Körper. Allein der Begriff „Körper“ assoziiert immer auch räumliche Ausdehnung. Das ist beim Begriff „Soma“ anders – er meint „Leib“. Dabei kann „Leib“ durchaus körperlich sein; unser Körper ist eben auch Leib. Aber er muss nicht körperlich sein. Nach der Auferstehung – und das wird am Beispiel des auferstandenen Jesus schon deutlich – gibt es keinen körperlich-fleischlichen Leib, sondern einen unkörperlichen Leib. Den können wir uns mit unseren fleischlichen Vorstellungen nicht ausmalen. Es gibt ihn aber, weil sonst die „Seele“ ohne Leib ihre Individualität verlieren würde. Der Leib als solcher – ob nun fleischlich oder – wie die Theologie sagt – geistlich/pneumatisch – ist Garant der Individualtität. Leib hat also nicht zwingend etwas mit Materie zu tun. Ganz im Gegenteil. Er kann materiell sein, muss es aber nicht.
b) Hinzu kommt, dass Gott als Schöpfer allen Leiblichen selbst nicht in diesen Kategorien zu denken ist. Er geht allem voraus. Das Leibliche kommt vom Göttlichen, ohne dass Gott selbst somatisch ist. Es hat seinen Ursprung in ihm, der Ursprung geht aber nicht in ihm auf. Das ist wie mit einem Kunstwerk. Der Künstler erschafft es. Er ist im Kunstwerk gegenwärtig. Aber er ist nicht das Kunstwerk. Das Kunstwerk ist zwar durch den Künstler, existiert aber nach der Erschaffung unabhängig von ihm. Die Kategorie „Leib“ und „Materie“ gibt es durch Gott. Daraus aber zu schließen, Gott müsse nun materiell sein, ist kein logischer Schluss. Im Gegenteil! Man darf die Kategorien „Schöpfer“ und „Geschöpf“ eben nicht in eins setzen.
c) Das hat Auswirkungen auf den Begriff „Person“. Er ist, wie gesagt, durch den heutigen Sprachgebrauch missverständlich, weil wir ihn mit „Individualität“, die durch „Leiblichkeit“, die in Raum und Zeit immer auch fleischliche „Körperlichkeit“ intendiert, assoziieren. Als man den Begriff „Person“ zur Beschreibung der innergöttlichen Dynamik der Dreifaltigkeit eingeführt hat, hatte er aber eine andere Bedeutung. „Person“ kommt vom lateinischen „personare“, das „hindurchsprechen“ (per-sonare) bedeutet. Die „persona“ bezeichnete die Maske, durch die die Schauspieler im antiken Theater sprachen. Ein Schauspieler spielte dabei verschiedene Rollen, durchaus auch in einer Szene. Die jeweile Maske, die er vor sein Gesicht hielt und durch die er sprach, zeige dem Publikum an, welche Rolle gerade das Sagen hatte. Hinter verschiedenen Masken steckte also ein Schauspieler. Diese in der Antike alltägliche Praxis machte den Begriff symoblisch übertragbar auf die Beschreibung der göttlichen Dreifaltigkeit: Ein Gott in drei „Masken“/“Personen“. Jede Persona steht für sich, ist aber immer doch ein und derselbe Gott. Dabei hat die „persona“ überhaupt nichts mit „Körper“ zu tun, sondern mit dem, was durch sie zum ausdruck kommt. Es geht also um Wesen und nicht um Körper. Es sind drei Wesenheiten ein und desselben Gottes, die uns als Schöpfer (Vater), Jesus Christus (Sohn) und Lebendigmacher (Heiliger Geist) offenbar geworden sind. Dass das nichts mit dem heutigen Gebrauch des Begriffs „Person“ zu tun hat, wird sofort klar – und das ist ein Problem. Die Theologie hätte hier die Aufgabe, neue Begriffe zu finden, die heute verständlich sind. Ich versuche es hin und wieder mit dem Begriff „Erscheinungsweise“ – Der eine Gott hat sich auf drei Weisen offenbar oder ist auf drei Weisen erschienen. Das ist aber auch nur eine Krücke, die mich als Theologe noch nicht ganz zufriedenstellt. Das ist in der Tat ein Punkt, über den ich immer wieder reflektiere.
Ich hoffe, Ihnen helfen meine Antworten weiter.
Mit herzlichem Gruß,
Dr. Werner Kleine